Der seit vielen Jahren schwelende Verteilungskampf um die Finanzierung des städtischen Jugendamtes scheint entschieden zu sein: Dem Beschluss einer knappen bürgerlichen Mehrheit im Stadtrat folgend, soll unter dem Spardiktat ein funktionierendes System zur Jugendhilfe an den finanziell mindestens genauso schlecht aufgestellten Landkreis übertragen werden. Diese Aufgabenübertragung soll – bei gleicher Qualität – auf städtischer Seite eine jährliche Einsparung von mehreren Millionen zur Folge haben, angeblich ohne zukünftige Mehrkosten beim Kreis. Dies ist schlichtweg unmöglich, denn die Einsparungen in dem einen Haushalt (Stadt) würden in vergleichbarer Höhe in dem anderen Haushalt (Landkreis) anfallen; der Landkreis müsste diese durch eine höhere Kreisumlage – allesamt Steuergelder – ausgleichen. Die Alternative ist nur mit einer wesentlichen Verschlechterung bei Vielfalt, Qualität, Quantität und Personal denkbar.
Tragisch ist dabei, dass ein solcher Entschluss am meisten die Kinder und Jugendlichen und auch Mütter und Väter treffen wird, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen:
– Kinder alleinerziehender Mütter und Väter
– Kinder, deren Eltern nicht in der Lage sind, sich angemessen zu kümmern,
– Kinder, die Gewalt oder Missbrauch erlebt haben oder ihm ausgesetzt sind,
– Familien, die sich keinen Familienurlaub leisten können, usw.
Das Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz (ISM) hat der Stadt in regelmäßigen Jugendhilfe-Berichten genau die sozialen Belastungsfaktoren wie Armut, Arbeitslosigkeit und eine hohe Quote an Alleinerziehenden (33 %) bestätigt, die gänzlich anders sind als im Kreis. Fachleute betonen, dass es in diesem Fall umso wichtiger ist, die gesamten Strukturen der städtischen Jugendhilfe miteinander abzustimmen und Angebote passgenau und zielgerichtet zu planen.
Bisher konnte im Jugendhilfeausschuss der Stadt bürgernah, sozialräumlich und beteiligungsorientiert eine Planung der städtischen Angebote, Ferienfreizeiten, Beratungsstellen und Kindertagesstätten vorgenommen werden. Seit mehr als 20 Jahren konnte die Stadt dafür erhebliche Gelder aus Landes-, Bundes- und EU-Programmen einwerben. Diese zusätzlichen Finanzquellen würden mit Abgabe des Jugendamts versiegen.
In der Diskussion um die „Einsparmaßnahme“ fehlt der fachliche Blick auf die Folgen dieser Entscheidung aus Sicht der GRÜNEN Fraktion vollkommen. Das Jugendamt leistet seit Jahren nicht nur ein breites Angebot für Benachteiligte. Alle Kinder und Jugendlichen haben die Möglichkeit von der Arbeit des Jugendamts zu profitieren: Kinderfreizeiten, Begegnungsfahrten, Mädchensamstage, das Kinderdorf und die Jugendräume in den Stadtteilen gehören zum Beispiel zum Angebot. Die „Einsparmaßnahme“ betrifft u.a. auch Einrichtungen wie den Kinderschutzbund, die Alternative JugendKultur (AJK), die Kunstwerkstatt, die Mühle, die Jugendverbandsarbeit, die Quartiersarbeit im Pariser Viertel und in der Neustadt und andere freie Träger: ein feingliedrig auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen abgestimmte Netzwerk, das an vielen Stellen in unserer Stadt vorbeugend und begleitend tätig ist und dabei Basisarbeit leistet für Teilhabe, soziale Bindung und Demokratiebildung. Eine Einschränkung dieser Arbeit oder gar ein Wegfall von Institutionen schadet unserem städtischen Gemeinwesen.
Aus Sicht der GRÜNEN Stadtratsfraktion würden durch diesen Schritt bei der Stadt nicht nur Kosten eingespart, sondern auch wesentliche Gestaltungsmöglichkeiten genommen und Verantwortung für ein Fünftel ihrer Bevölkerung abgegeben.
Wir sehen den Stadtrat weiterhin in der Verantwortung, sich umfassend und nachhaltig um die Belange unserer Jugend in der Stadt zu kümmern! Die GRÜNEN Bad Kreuznach haben sich aus den genannten Gründen immer für den Erhalt des Stadtjugendamtes eingesetzt. Wenn es nun tatsächlich so ist, dass zwischen Kreis und Stadt keine haushalterisch darstellbare Einigung zu den Kosten erreicht werden kann, so fordern wir, dass alle finanziellen und fachlichen Auswirkungen für Stadt und Kreis transparent gegenübergestellt und geprüft werden vor dem Hintergrund der Ausschöpfung aller nur möglichen Einnahmequellen. Dabei gilt es, die bestmögliche Versorgung von Kindern und Jugendlichen sicherzustellen.