Die Allgemeine Zeitung hat im Vorfeld der Kommunalwahlen am 09.06.2024 alle neun zur Wahl antretenden Parteien die identischen Fragen gestellt. Da diese üblicherweise nur verkürzt in der Zeitung abgedruckt werden konnten, anbei die Original-Antworten des Kreisvorsitzenden Lars Medinger.
ÖPNV: Erst wurde das Angebot ausgeweitet, jetzt werden Linien eingestampft und ab Sommer dann auch vermehrt Rufbusse eingesetzt. Soll das teure Angebot für die Bürger dennoch aufrechterhalten werden?
Auf jeden Fall. Wir fordern gleiche Chancen für Menschen in der Stadt und im ländlichen Raum. Das bedeutet, dass jede*r alltägliche und nötige Zielorte erreichen kann. Gerade Personen ohne eigenen PKW, also insbesondere Kinder, Jugendliche, Senior*innen und Menschen mit geringem Einkommen, sind auf Bus und Bahn angewiesen. Das Land hat mit der Verstetigung des Bustaktes insbesondere im ländlichen Raum diese Möglichkeiten geschaffen. Ein funktionierender, gut getakteter ÖPNV garantiert allen Mobilität und bietet auch den Anreiz, das Auto mal stehen zu lassen. Der ÖPNV ist eine wichtige Säule der Mobilitätswende. Als Grüne sind wir daher für die Aufrechterhaltung und perspektivische Ausweitung des ÖPNV. Welche Fahrzeuggrößen für welche Strecken am besten geeignet sind, muss die Praxis zeigen und entsprechend angepasst werden, ohne dabei jedoch die Barrierefreiheit einzuschränken. Um den Tourismus zu stärken, möchten wir ein Gästeticket im RNN-Bereich analog zum VRM-Gästeticket einführen.
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Flüchtlinge: Es gab und gibt immer wieder Diskussionen um Unterbringungsmöglichkeiten. Wie kann sich der Kreis auf weitere zu erwartende Flüchtlingsströme vorbereiten?
Wir setzen uns dafür ein, dass der Kreis Bad Kreuznach ein Integrationskonzept entwickelt, um gezielter reagieren zu können. Integration von Geflüchteten geht einher mit dem Erlernen der deutschen Sprache und, wo immer möglich, dem raschen Eintritt in die Arbeitswelt. Wir brauchen Sprachkurse und Bildungsangebote für alle Geflüchteten von Beginn an, wie z.B. im Pirmasenser Modell: ein niedrigschwelliger Alltagssprachkurs. Bildungsträger sollen die dafür notwendigen Ressourcen erhalten. Ehrenamtliches Engagement in der Flüchtlingshilfe wollen wir besser unterstützen.
Für mehr Wohnraum, sind dezentrale und auch zentrale Unterbringung notwendig. Containerwohnungen können kurzfristig den Mangel an Wohnraum lindern, mittelfristig sind jedoch mehr Sozialwohnungen im Kreis notwendig. Geflüchtete sollen nicht mit finanziell schwächer gestellten Menschen um den knappen Wohnraum konkurrieren. Um neuen Wohnraum zu schaffen, streben wir die Zusammenarbeit mit einer Wohnungsbaugesellschaft an.
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Kitas und Schulen: Vielerorts gibt es die gleichen Probleme: Zu wenig Plätze, zu enge Räume, zu wenig Personal. Welche Lösungsansätze könnte es hier geben?
Ohne Bildung gibt es keine gute Zukunft. Kitas und Schulen brauchen deshalb die höchste Aufmerksamkeit. Der Kreis kann die Träger dabei unterstützen, Kitas und Schulen von Verwaltungsaufgaben zu entlasten. Wir wollen die gute Bildungsarbeit in Kitas und Schulen hervorheben, um so für Berufe im Bildungsbereich zu werben. Investitionen in Bildung sind die beste Anlage für die Zukunft. Deshalb brauchen wir jetzt eine mutige Politik, die Bildung an die erste Stelle setzt und langfristig denkt. Dazu gehören nachhaltige Planung und Entwicklung – eine Gemeinde kann Vorbild für die andere sein, z.B. mit Kitas in Modulbauweise. Kitas von heute können Seniorenzentrum bzw. Begegnungsstätte von morgen sein. Wir müssen unsere Schulen so ausstatten, dass Fördern und Fordern möglich werden, mit zeitgemäßen Raumkonzepten, Differenzierungs- und gut ausgestatteten Fachräumen. Erzieher*innen und Lehrer*innen braucht das Land – werben wir für unsere Region mit ihrer breitgefächerten Bildungslandschaft.
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Gesundheit: Wie kann Gesundheitsversorgung künftig sichergestellt werden. Welche konkreten Ideen gibt es in Ihrer Partei, wie in erster Linie mehr Hausärzte in den Kreis gelockt werden könnten?
Eine gute Versorgung mit allen medizinischen und pflegerischen Einrichtungen soll allen Menschen im Kreis zur Verfügung stehen. Der Grundsatz „ambulant vor stationär“ ist dabei die Leitlinie.
Wir wollen die Mobile Reha in unserem Kreis reaktivieren. So kann ermöglicht werden, dass alte und pflegebedürftige Menschen länger in ihrer vertrauten Umgebung leben können. Auch jüngere Menschen sollen zur Vor- und Nachsorge diesen Dienst in Anspruch nehmen können. Wir möchten dafür Sorge tragen, dass die Notarztversorgung weiterhin sicher ist und im Notfall ein schneller Transport in ein qualifiziertes Krankenhaus erfolgen kann.
Menschen in psychischen Krisen muss besser geholfen werden. Hier braucht es neue, niedrigschwellige Angebote. Zusammen mit den Verbandsgemeinden möchten wir Lösungen erarbeiten, damit der Kreis attraktiver für junge Medizinkräfte wird, um so ein wohnortnahes hausärztliches Angebot langfristig zu gewährleisten, z.B. über ein Stipendien-Modell.
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Finanzen: Der Kreis schreibt weiter rote Zahlen. Wo gäbe es noch Sparpotenzial?
Die Konsolidierung des Haushalts hat Priorität, wobei das Erfüllen der Pflichtaufgaben, z. B. Sozial‐ und Jugendhilfe, gesetzlich einzuhalten ist. Die überschaubaren „freiwilligen“ Leistungen des Kreises sind aber unverzichtbar - bilden sie doch Gesellschaft und soziales Miteinander.
Allein durch Sparen lässt sich im Landkreis keine Zukunft gestalten. Ein Kreis ist dann gut aufgestellt, wenn seine Gemeinden prosperieren. Jegliche Einnahmemöglichkeit dort, z.B. aus Erneuerbaren Energien, sorgt für ein Plus an Kreisumlage (siehe Rhein-Hunsrück-Kreis).
Wo immer möglich, müssen Synergien mit benachbarten Gebietskörperschaften geschaffen werden, insbesondere bei der Abfallwirtschaft steht es dringend an. Und es heißt Energiesparen durch Energieeffizienzmaßnahmen (Heizungsmonitoring in den Schulen!), die konsequente energetische Sanierung kreiseigener Gebäude und eine Solaroffensive aus kreiseigenen Dächern zur kostenneutralen Energiegewinnung.
Lars Medinger für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Kreisverband Bad Kreuznach