Pressemitteilung zur Diskussion um Einfamilienhäuser

Vor dem Hintergrund der Diskussion um ein Verbot von Einfamilienhäusern in Hamburg nehmen wir als Fraktionsvorsitzende der Bad Kreuznacher GRÜNEN im Stadtrat wie folgt Stellung:

Ein Parteitagsbeschluss von Bündnis 90/Die GRÜNEN 2019 zur Bauwende lautet: „Einfamilienhäuser verbrauchen besonders viele Ressourcen, da im Vergleich zum Mehrfamilienhaus der Außenhautanteil sehr groß ist, zudem verschleißen sie extrem viel Bauland und Infrastruktur. Immer neue Einfamilienhausgebiete auf der grünen Wiese treiben den Flächenverbrauch weiter an und führen vielerorts gleichzeitig zu leerfallenden und öden Ortskernen. Die wesentliche Steuerungsgröße liegt nicht im Neubau, sondern im klugen Umgang mit dem Bestand: im Umbau, in Werterhaltungsstrategien. Die Weiter- und Umnutzung eines Bestandsgebäudes ist deutlich ressourcenschonender als das Neubauen.“ Gefordert wird ein Schutzstatus im Bodenschutzgesetz „für unversiegelten Boden mit Festlegung eines bis 2035 auf netto-Null sinkenden Flächenverbrauchs, der auf Länderebene zu kontrollieren und durchzusetzen ist.“


Wie stellt sich demgemäß die Lage in Bad Kreuznach aus GRÜNER Sicht dar?

In Bad Kreuznach besteht ein hoher Wohnraumbedarf besonders im Bereich günstiger, bezahlbarer Wohnungen. Um diesem gerecht zu werden, ist es notwendig neuen Wohnraum auf unterschiedlichste Weise zu schaffen. Dabei sind soziale, ökologische und infrastrukturelle Gesichtspunkte zu beachten. Um große Projekte ging es zuletzt beim Projekt in der Humperdinckstraße sowie der Bebauung auf dem ehemaligen Gärtnereigelände östlich der Dürerstraße. Für den sozialen Aspekt wurden u.a. auf unsere Initiative hin eine Quote von 20 bis 25 % für geförderten Wohnraum bei größeren Neubauprojekten eingeführt. Wir würden uns hier eine höhere Quote wünschen – politisch ist dies aber derzeit nicht durchsetzbar.

Ökologisch sind eine Vielzahl von Aspekten zu berücksichtigen, wobei der enorme Flächenverbrauch der letzten Jahrzehnte wie auch das innerstädtische Kleinklima auch in Bad Kreuznach zu beachten sind. Demnach ist der Erstellung von Wohnraum in Bestandsimmobilien, wie z.B. im Bereich des alten Paketlagers der Post, der Vorzug gegenüber Neubaugebieten zu geben. Es gilt also entsprechende Grundstücke/Immobilien im städtischen Bereich zu identifizieren und zu Wohnzwecken zu entwickeln. Ein entsprechender Antrag wurde von uns im vergangenen Jahr eingebracht.

Des Weiteren muss die – möglichst gemeinwohlorientierte – Verdichtung innerhalb der bestehenden Bebauung angestrebt werden, unter besonderer Berücksichtigung der kleinklimatischen Verhältnisse. Unter diesen Voraussetzungen lässt sich in Bad Kreuznach die erneute Ausweisung von Neubaugebieten vermeiden. Ein Verbot zum Bau von Einfamilienhäusern ist nicht sinnvoll, vor allem da es auch ökologisch gute Möglichkeiten mit Vorbildfunktion gibt wie z.B. im SolarQuartier in den Weingärten. Die Weiternutzung und energetische Ertüchtigung von Bestandsimmobilien sehen wir jedoch vorrangig. 
Bei jedem Neubaugebiet wird das Ausmaß des Eingriffs ermittelt und mündet ggf. in Renaturierungsmaßnahmen an anderer Stelle. Dieses Prinzip des Kreislaufsystems bedeutet, dass für Neubaugebiete Ausgleichsflächen ausgewiesen werden müssen. Wir haben im vergangenen Jahr eine Aufstellung dieser Flächen für Bad Kreuznach beantragt, um u.a. auf die Notwendigkeit der Renaturierung aufmerksam zu machen.

Im neuen Grundsatzprogramm der B90/Grünen vom Nov. 2020 findet sich die Formulierung: „Dort, wo viele Menschen zuziehen, muss auch gebaut werden. Es braucht nachhaltiges und flächensparendes Bauen, eine gute Baukultur und eine behutsame Nachverdichtung und Stadtentwicklung unter Wahrung urbaner wie ländlicher Grün- und Freiflächen.“ Diese Aussage ist eins zu eins auf Bad Kreuznach übertragbar. Der Flächenfraß für Wohn- und Gewerbeimmobilien ließe sich auch in Bad Kreuznach noch wesentlich einschränken, indem z.B. ewig bevorratete Flächen für sinnlosen Straßenbau z.B. im Bereich des Kohleweges südlich der Bahnlinie oder im Umfeld des Wassersümpfchens für eine Bebauung entwickelt würden. Eine alternative Verkehrsplanung sowie eine parallele Sozialplanung (Sozialflächen, Kita, Schule, etc.)  sind von vornerein miteinzubeziehen und für eine nachhaltige Ausgestaltung unabdingbar.


Beim Verkauf von öffentlichem Baugrund im Innenbereich muss die Schaffung eines sozialen Mehrwerts einbezogen werden, sei es durch eine gemeinwohlorientierte bauliche Nutzung oder soziale bzw. ökologische Auflagen. Gemischte Nutzungen wie z.B. im Bereich Salinenstraße / Schlossstraße oder dem ehem. Boeckergebäude können dabei durchaus sinnvoll sein. Eine Verzahnung mit der Stadt- oder Quartiersentwicklung ist grundlegend, dafür müssen „Innenentwicklungsgebiete“ im Landesbaugesetz festgelegt werden. Das würde z.B. bei der Weiterentwicklung der Neustadt oder des Pariser Viertels helfen. Gerade hier ist guter, bezahlbarer, familienfreundlicher Wohnraum vonnöten. Wichtig ist, endlich vorzubeugen, dass geförderter sozialer Wohnraum langfristig die Sozialbindung behält und nicht in Eigentumswohnungen umgewandelt werden kann!

In den letzten Jahren sind das Musikerviertel, das ehemalige Studt- und das US Hospital-Gelände, die Bebauung am Kastanienweg, das Neubauviertel in Ebernburg sowie die Weingärten – allesamt mit erheblichen Anteilen an Einfamilienhäusern – entstanden. An der Hermannstraße vor der Lohrer Mühle wird ein weiteres großes Areal erschlossen. Das Interesse am Eigenheim in Bad Kreuznach ist ungebrochen. Dennoch würden wir uns einen Anreiz für  Baugemeinschaften wünschen, wie sie z.B. in München am Olympiapark entstanden sind: Familien, die gemeinsam einen größeren, energieneutralen Wohnblock erstellen und die Freiflächen als Gemeinschaftsraum gestalten und nutzen. Ebenso für genossenschaftliches Bauen und Wohnen, denn gemeinschaftsstiftende Initiativen von Bewohner*innen können Keimzelle sein für zukunftsfähige Projekte im Quartier.
„Es geht keineswegs um ein Verbot von Eigenheimen – sondern darum, den sozialen Bedürfnissen vor Ort bestmöglich gerecht zu werden. Mit dem Blick auf natur- und ressourcenschonendes, energieeffizientes, klimagerechtes Bauen und Wohnen, bei dem Aspekte wie Ökobilanz, Lebenszykluskosten und Recyclingfähigkeit Berücksichtigung finden. Vor allem aber geht es darum, passenden und für alle bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu haben.“, so Andrea Manz und Hermann Bläsius.

Andrea Manz und Hermann Bläsius, Fraktionsvorsitzende

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