Mehr Wohnraum – Günstig und gut! Die gut besuchte Veranstaltung zeigt zahlreiche Möglichkeiten zur Steuerung des geförderten Wohnungsbaus auf

Frischen Wind und neue Anstöße in die Debatte um geförderten Wohnungsbau wollte der Ortsverband von Bündnis 90/ Die Grünen bringen. Dazu hatten sie zwei junge Architektinnen aus München eingeladen. Michael Henke, Vorstandssprecher von Bündnis 90/ die Grünen, konnte im gut gefüllten, barrierefreien Veranstaltungsraum beim Internationalen Bund auch mehrere Rollstuhlfahrer*innen begrüßen, u.a. eine Vertreterin des ZsL Bad Kreuznach.

Gleich zu Beginn stellten Zora Syren und Gesche Bengtson ihr Selbstverständnis als Architektinnen vor: „Die aktuelle Wohnungsnot und die Frage, wie schaffen wir guten und bezahlbaren Wohnraum, ist für uns die große Herausforderung unserer Architektengeneration.“ Die Dringlichkeit dafür stellten sie anhand einer Statistik der BAG Wohnungslosenhilfe dar: Vor 30 Jahren gab es in Deutschland immerhin 2,87 Millionen Wohnungen, die an Menschen mit Wohnberechtigungsschein vermietet wurden. Heute sind es nur noch 1,15 Millionen Wohnungen. Nach Schätzungen von Immobilienverbänden müssten in Deutschland pro Jahr 80.000 neue geförderte Wohnungen entstehen. In ihrem Vortrag stellten die beiden Planerinnen dann verschiedene Beispiele von gefördertem Wohnungsbau vor. Richtschnur für die Qualität der Planung sollten in den Augen der Architektinnen Beispiele wie die Hufeisensiedlung in Berlin sein. Hier wurden von 1925 bis 1933 von Bruno Taut 2000 Sozialwohnungen gebaut. Dabei entstand eine so gelungene Lösung, dass die Siedlung 2008 zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt wurde. In Bad Kreuznach wird immer wieder von verschiedenen Seiten behauptet, man könne nicht Sozialwohnungen und „normale Mietwohnungen“ im gleichen Gebäude unterbringen. Sozialwohnungen müssten sich schon von außen sichtbar von "normalen" Mietwohnungen abheben. Gesche Bengtson stellte eine Planung aus Hamburg vor, an der sie beteiligt war und die kurz vor der Fertigstellung steht. Bauherr ist ein privater Investor.

Er möchte eine Mischung von 50% geförderten Wohnungen und 50% freien Wohnungen im gleichen Haus. Für eine gute Hausgemeinschaft ist dies nach seinen Erfahrungen eine gute Mischung. Ein Beispiel für Steuerungsmöglichkeiten einer Kommune stellte Zora Syren vor. Das gerade im Bau befindliche Projekt, an dem sie beteiligt ist, war ein Gewerbegebiet, das verkehrsgünstig zur Innenstadt liegt. Es wurde von der Stadt in ein Wohngebiet umgewandelt. Bedingung der Stadt gegenüber dem Investor war dabei, dass 23% geförderter Wohnraum, Gewerbe und eine Kita auf dem Gelände mit geplant werden müssen. Daneben entstehen dort weitere Miet- und Eigentumswohnungen. Von dem Wertzuwachs, der durch die Umwandlung des Gewerbegebietes in ein Wohngebiet entsteht, profitiert auf diese Weise auch die Stadt München, die auf dem Areal ein belebtes gemischtes Quartier entstehen lassen möchte. Als Beispiel für nachhaltiges und qualitätsvolles Bauen stellten die Planerinnen ein Projekt der Wohnungsgesellschaft NUWOG in Neu-Ulm vor.

Die Wohnungsgesellschaft bleibt Eigentümerin aller von ihr gebauten Wohnungen. Sie ist daher daran interessiert, dass die Mieter ihre Wohnungen schätzen und pflegen. So wurden z.B. auch die geförderten Wohnungen mit hochwertigen Parkettböden ausgestattet. Die Verwaltung der Wohnungsgesellschaft wurde im gleichen Gebäude untergebracht. Alle Wohnungen sind barrierefrei geplant. Plädoyer der Planerinnen war hier, dass für qualitätsvolles Bauen im geförderten Wohnungsbau die Zusammenarbeit aller Beteiligten nötig ist. Planerinnen und Planer sind gefordert gute Lösungen für begrenzte finanzielle Mittel zu finden, Bauherren müssen bereit sein von Standarddetails abzuweichen. Manchmal bedeute das auch von einer DIN-Norm abzuweichen. Genossenschaften als Bauherren für geförderten Wohnungsbau sehen die beiden Architektinnen als dauerhafteste Form von gefördertem Wohnungsbau an. In Genossenschaften sind die Bewohner Mieter im eigenen Haus und die geförderten Wohnungen bleiben auf Dauer erhalten. Die Stadt München möchte dieses Bauherrenmodell fördern und hat sich dazu verpflichtet mindestens 20% der zum Verkauf stehenden städtischen Grundstücke an Genossenschaften zu verkaufen.

Zum Schluss ihres Vortrags gingen Gesche Bengtson und Zora Syren auf die Frage ein, welche Handlungsmöglichkeiten einer Kommune zur Verfügung stehen. Die Anwendung des sogenannten Konzeptverfahren würde es der Stadt Bad Kreuznach ermöglichen beim Verkauf städtischer Grundstücke neben dem Preis andere Kriterien einzubeziehen. Investoren müssen vor dem Kauf ein Konzept für die geplante Nutzung vorlegen. Dieses Konzept würde dann bewertet und wäre neben dem Preis entscheidend dafür, welcher Investor zum Zuge kommt. Auch Bebauungspläne sind wichtige Gestaltungsinstrumente der Kommune. Sie können - anders als normalerweise üblich - auch in mehreren Stufen aufgestellt und mit einem städtebaulichen Wettbewerb kombiniert werden. München praktiziert neben dieser Methode sogenannte SoBoN-Verfahren, bei dem es um sozialgerechte Bodennutzung geht. Hier wird die Vergabe von Baurecht in Verhandlungen mit dem Investor an Bedingungen geknüpft, z.B. dem Errichten einer Kita oder der Erstellung von Grünflächen. Nach einer engagierten Diskussion im Anschluss an den Vortrag brachte es eine Besucherin auf den Punkt: „Wenn die Politik in Bad Kreuznach guten sozialen Wohnungsbau fördern will, gibt es viele Wege. Eine Palette von Möglichkeiten wurde uns heute aufgezeigt."

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